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Aktuell müssen wir, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, vermehrt kontinuierlich Anpassungsleistungen in nahezu allen Bereichen unseres Lebens vollbringen. Aber ist unsere Psyche diesem Stress gewachsen? Ein Beitrag zu den mentalen Herausforderungen sozialer Distanzierung und Home Office:

Außergewöhnliche Belastung

Social Distancing und Homeoffice

Neben belastenden Faktoren der Corona-Pandemie wie dem Wegfall der regulären Betreuungsstrukturen für Kinder, familiärer und partnerschaftlicher Konflikte, der Sorge um eigene, eventuell vorbelastete Angehörige und Verlusterlebnisse, der Angst vor Ansteckung und schwerer Erkrankung, Doppelbelastung und Zerrissenheit zwischen beruflichen und familiären Herausforderungen, Überstunden durch Personalausfall, finanzielle Einbußen und existenziellen Ängsten, Teamkonflikten durch wechselnde Anweisungen und Anforderungen im Job, kämpfen wir mit sozialer Isolation, müssen unter Umständen in häusliche Quarantäne und spüren den Wegfall von regulären Freizeitaktivitäten.

Diese außergewöhnliche Zeit der Pandemie hat uns nicht nur überrascht, sondern auch mit Veränderungen konfrontiert, die wir vermutlich niemals für möglich gehalten hätten. Aber plötzlich war es so: Social Distancing und Homeoffice. Viele Menschen bleiben, soweit es geht, zu Hause, soziale Kontakte werden tunlichst vermieden. Für viele ist diese Umstellung eine echte Herausforderung, andere behaupten, dass sie nur darauf gewartet haben, endlich zu Hause ihre Ruhe zu haben. Doch wie gut kommen wir mit den Einschränkungen klar und was können wir tun?

Der Mensch ist ein Herdentier

Manch einer mag vermuten, dass die soziale Distanzierung für eher introvertierte Menschen geradezu ein glücklicher Umstand ist, während nur extravertierte Menschen darunter leiden, ihr Bedürfnis nach Geselligkeit nicht in dem Maße befriedigen zu können, wie es bisher problemlos möglich war. Dem ist allerdings nicht so. Denn die Rolle sozialer Kontakte für das seelische Wohlbefinden hat allgemein eine entscheidende Bedeutung für alle Menschen. Wir fühlen uns seelisch wohl, wenn unser Grundbedürfnis, das wir von Geburt an in uns tragen, gestillt ist: sich zugehörig zu fühlen. Nicht ohne Grund wurde dieses Thema lange vor Corona aufgegriffen und beispielsweise am gesellschaftlicher Trend, dass die Anzahl der Singlehaushalte in den letzten Jahren gestiegen ist, wissenschaftlich diskutiert.

Soziale Kontakte & seelisches Wohlbefinden

Einsamkeit macht krank

Mittlerweile ist der große Einfluss sozialer Kontakte auf unser seelisches Wohlbefinden vielfach erwiesen. Längst steht fest, dass Einsamkeit und der Mangel an sozialen Bindungen auf Dauer krank machen und ihr dauerhaftes Ausbleiben demnach schädlich für unsere körperliche Verfassung ist. So zeigen Studien, dass sich ein fehlender sozialer Anschluss beispielsweise doppelt so schlimm auswirkt wie Fettleibigkeit. Oder eine soziale Ausgrenzung wie zum Beispiel Mobbing Schmerzempfinden im Gehirn auslöst und einen hohen negativen Einfluss auf unsere Psyche hat. Was keineswegs verwundert, wenn man bedenkt, dass seelische Gesundheit einen Zustand des vollständigen geistigen und körperlichen Wohlbefindens kennzeichnet.

 

Die Pandemie hat unseren Alltag verändert

Tatsächlich hat sich binnen kurzer Zeit unser Alltag völlig verändert. Wir müssen Job und unser Familienleben neu strukturieren, können unsere Freizeit nicht wie gewohnt gestalten und liebgewonnene Gewohnheiten im Freundeskreis ändern sich. Zudem ist die gegenwärtige Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Entwicklungen, der Folgen der Corona-Krise, aber auch neuen viralen Bedrohungen, eine weitere nicht zu unterschätzende psychische Belastung vor allem für diejenigen unter uns, die ein erhöhtes Risiko tragen, schwer zu erkranken, oder unabhängig vom Corona-Virus von einem gut funktionierenden Gesundheitssystem abhängig sind.

 

Aktiv neue Gewohnheiten entwickeln

Das Leben in Zeiten sozialer Distanzierung muss aber dennoch nicht automatisch einsam und ungesund sein. Wichtig ist, dass wir aktiv neue Gewohnheiten entwickeln, um die veränderten Bedingungen unseres Soziallebens gesund aufzufangen. Zwar führen neue Situationen anfangs eher dazu, dass wir zunächst an bisherigen Gewohnheiten umso mehr festhalten. Aber – und das ist ein sehr entscheidender Punkt: Wir Menschen sind nicht nur Herden- und Gewohnheitstiere, wir Menschen sind äußerst lernfähig und sehr anpassungsfähig, selbst in Bezug auf sehr ungewohnte Situationen.

 

Offenheit für Neues schafft Sicherheit

Gelingt es uns, offen für diese neuen, wenn auch zweifelsohne schwierigen Erfahrungen zu sein, werden wir deutlich besser mit dieser Fülle an Veränderungen umgehen können und weniger verunsichert werden. Auch dürfte es uns so gelingen, auf kreative Art und Weise mit den neuen Anforderungen umzugehen. Dennoch, dies sei eingeräumt, ist die gegenwärtige Situation so ungewöhnlich, dass wir noch viel vor uns haben. Gelingt es uns also, emotional stabil und möglichst gelassen auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren, werden wir auch diese schwierigen Situationen entspannter und ruhiger angehen und meistern können. Denn typischerweise begegnen Menschen drastischen Veränderungen in ihrem Leben gefestigter, wenn sie der Auffassung sind, ihr Leben maßgeblich unter Kontrolle zu haben, anstatt Glück oder Schicksal, Zufall oder anderen äußeren Umständen ausgeliefert zu sein.

 

Menschen lieben Zuneigung, Trost, Verständnis und Mitgefühl

Grundbedürfnis Austausch

Menschen brauchen den Gedankenaustausch mit ihren Mitmenschen. Sie lieben Zuneigung, Trost und vor allem Verständnis und Mitgefühl sowohl im Alltäglichen als auch in schwierigen Situationen. So können hier alternativ die sozialen Medien eine wichtige Rolle spielen. Nehmen wir den Erfolg diverser Social-Media-Kanäle: Ein wichtiges Indiz für das menschliche Bedürfnis, sich zu vernetzen und mitzuteilen. Dennoch wollen wir dieses Grundbedürfnis mit allen Sinnen erleben. So stehen trotzdem persönliche Kontakte und Freundschaften an allererster Stelle, denn der persönliche Kontakt im realen Leben ist das, was uns richtig guttut. Denn schließlich geht es um regelmäßige Unternehmungen, Gespräche und natürlich vor allem den emotionalen Beistand auch auf rein körperlicher Ebene. Wer kennt sie nicht, die typischen Missverständnisse bei schriftlicher Kommunikation, hat nicht schon einmal die Sehnsucht erlebt, den anderen endlich wieder direkt in die Augen schauen oder fest in den Arm nehmen zu können?

 

Wenn man merkt, dass einem die momentane Situation nicht guttut, wie soll man reagieren?

Der Alltag vieler Menschen hat bisher – ohne dass es jedem von uns wirklich bewusst war – ein Mindestmaß an psychischem Wohlbefinden gesichert: Allein der Weg zur Arbeit sorgte für frische Luft, der Kaffeebecher-to-Go brachte sozialen Austausch auch abseits des inhaltlich Notwendigen mit sich, der Konzertbesuch inspirierte. Wahren wir nun soziale Distanz und arbeiten im Home-Office, dann ist es umso wichtiger, dass wir uns bewusst und explizit damit auseinandersetzen, wie wir unserer Psyche etwas Gutes tun. Abgesehen davon, dass ein Single-Haushalt heute kein Indiz mehr für ein Single-Dasein ist, lassen sich aus den bereits bestehenden Erkenntnissen zur Förderung sozialer Kontakte einige wichtige Dinge ableiten, die eine positive Wirkung auf Ihre psychische Gesundheit haben.

 

Austausch ist ein unglaublich wertvolles Gut

Nutzen Sie jede Möglichkeit, frische Luft zu tanken und bewegen Sie sich. Bleiben Sie im engen Austausch mit Ihren Mitmenschen, um ihnen auch aus der Ferne nah zu sein, auch wenn es natürlich nicht immer möglich geschweige denn einfach ist, soziale Kontakte so zu pflegen, dass man sich regelmäßig sieht. Aber auch eine Nachricht zwischendurch oder ein längeres Telefonat kann über einen gewissen Zeitraum hinweg ausreichen, um den engen Austausch zu bewahren. Sprechen Sie ruhig mit anderen Menschen darüber, wie Sie diese Zeit empfinden, denn viele erleben ja gerade ähnliche Herausforderungen. Denn Austausch ist ein unglaublich wertvolles Gut, welches vor allem auf beiderseitigem Vertrauen, Zuhören und füreinander Dasein aufbaut, wo man vor dem anderen auch mal Schwäche zugeben und schwierige Zeiten gemeinsam leichter überstehen kann. Und auch wenn es momentan vielleicht naheliegend scheint, sich nur auf das zu beschränken, was inhaltlich wesentlich ist, lassen Sie sich von digitalen Angeboten von Kunst und Kultur inspirieren und fesseln. Denn auch das stiftet Gemeinschaft und Gelegenheiten für Smalltalk und Zwischenmenschliches.

Wenn es die für Sie „richtigen“ Menschen sind

Positiver Einfluss sozialer Kontakte

Eine Erkenntnis ist – nicht nur zum aktuellen Zeitpunkt – besonders wichtig: Es kommt vor allem darauf an, dass Sie sich mit Menschen umgeben, die Ihnen guttun. Gehen Sie ganz bewusst Ihre sozialen Kontakte in Gedanken doch einmal mit folgenden Fragen durch: Fühlen Sie sich geborgen, verstanden, glücklich, entspannt und motiviert? Oder eher gestresst, genervt, verärgert, frustriert oder demotiviert? Welche Kontakte empfinden Sie als bereichernd und welche als belastend? Denn nicht alle sozialen Kontakte stärken und schützen Ihren Organismus.

 

Investieren Sie Energie in Menschen, die Ihr Leben und Ihr Wohlbefinden bereichern

Natürlich soll es dabei keinesfalls um einzelne Phasen gehen, denn jede zwischenmenschliche Beziehung hat ihre Höhen und Tiefen, kann erschöpfend sein, nachdenklich machen und manchmal braucht man vielleicht Zeit für sich, um alles zu verdauen. Vielmehr geht es um die ganz individuelle Persönlichkeit eines Menschen. Solche, die bei Ihnen für schlechte Laune sorgen, Ihnen das Gefühl geben, ihre Probleme gerne bei Ihnen abzuladen, vielleicht ständig über andere reden, dafür aber nicht bereit sind, Ihnen und Ihren Gedanken zuzuhören. Meiden Sie diese Menschen. Schützen Sie sich davor und lösen Sie sich, denn diese rauben Ihnen Kraft und rufen negative Emotionen und letztlich auch Reaktionen hervor. Investieren Sie Ihre Energie lieber in Menschen, die Ihr Leben und Ihr Wohlbefinden bereichern. Selbst wenn es mal hoch her geht. Denn der Einfluss sozialer Kontakte wirkt sich nur maßgeblich auf Ihr Wohlbefinden aus – wenn es die für Sie richtigen Kontakte sind.

Wenn Sie in dieser außergewöhnlichen Situation dennoch Symptome, Anzeichen und Warnsignale seelischer Belastungen wie:

 

Schlafstörungen

Erschöpfungszustände

Gereiztheit („wenn die Nerven durchgehen“)

Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit

übermäßige Ängste oder Sorgen

plötzlich aufsteigende panikartige Angst

Wiedererinnern an traumatische Erlebnisse

Konzentrationsstörungen

Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Schwindel oder Übelkeit

Herzrasen oder Herzstechen

Muskelverspannungen

steigender Konsum von Alkohol oder anderen Substanzen

 

feststellen, die Sie nicht einordnen können oder nicht zu kompensieren vermögen, sich in Ihrem Alltag aber stark beeinträchtigt fühlen, bieten wir Ihnen selbstverständlich professionelle Hilfe an. Wir möchten Sie und Ihre Angehörigen dabei unterstützen, die aktuelle Krisensituation möglichst stabil zu bewältigen. Hierfür steht Ihnen unser Team gern zur Verfügung.

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